Herta F. Staub

Podium Porträt Nr. 40


Herta Felicia Staub wurde am 21.12.1908 in Wien geboren und verstarb ebendort am 18.8.1996. Sie studierte Kunstgeschichte, Germanistik, Philophie und Sprachen in Wien. Neben der frühen literarischen und publizistischen Arbeit war sie von 1932-38 Kulturredakteurin der "Wiener Zeitung". Während der NS-Zeit mit Schreibverbot belegt, hatte sie Kontakte zu Untergrund- und Widerstandsgruppen. 1943 wurde sie auf Grund des Studiums der Kunstgeschichte in einem "Bergungstrupp" des Wiener Denkmalamtes dienstverpflichtet. 1945-49 war sie Kunstreferentin des Wiener Kulturamtes unter Stadtrat Viktor Matejka, danach vor allem als Erwachsenenbildnerin und Übersetzerin tätig, ab 1959 Nachlassbetreuerin Rudolf Kassners sowie 1962 Initiatorin und bis zu ihrem Tod Geschäftsführerin der Rudolf-Kassner-Gesellschaft in Wien.

Publikationen:

Schaukelpferd. Gedichte. Wien, Leipzig: Augarten, 1933
Flori und die Weltflieger. Roman für Buben und Mädels. Wien: Augarten, 1933
Blaue Donau ade. Roman. Berlin: Schützen, 1937
Honoria. Drama. München: Zinnenverlag, 1943
Der Feen-Rufer. Neue Gedichte. Wien: Bergland, 1958
Welt als Versuch. Neue Gedichte. Wien: Bergland, 1978

Außerdem strahlte der ORF 1966 ihr Feature "Römische Weise von Tod und Auferstehung" aus.

Preise, Auszeichnungen:

Kulturpreis des Landes Oberösterreich für Literatur 1954; Förderungspreis der Stadt Wien für Literatur 1956; Förderungspreis für Literatur des Theodor-Körner-Stiftungsfonds zur Förderung von Wissenschaft und Kunst 1963; Preis des Literaturwettbewerbs des Adolf-Schärf-Fonds zur Förderung von Wissenschaft und Kunst der Zentralsparkasse Wien 1984
 
Mitgliedschaften:

IG Autorinnen Autoren, Österreichischer P.E.N.-Club, Literaturkreis PODIUM

Leseprobe


Der Chef möchte

Er wetterleuchtet durch die kahlen Räume,
von Schreibtischlampen zögernd grün gestreift,
und prüft, ob keiner seine Pflicht versäume,
die Steno über ihren Siegeln träume,
die Kontrollorin mit dem Diener keift.

Er findet rasch und stumm gebeugte Rücken
und nichts zu tadeln, wirklichwahr ein Pech.
Das Personal steckt immer doch voll Tücken,
es wäre gut, die Löhne mehr zu drücken,
denn im geheimen sind die Leute stets noch frech.

Er möchte sie so wie Maschinen kennen
und demontiert ihr ganzes Innre sehn.
Er möchte, daß sie nur in seinem Joche rennen
und keine Lichter fremd in ihren Augen brennen,
wenn sie am Abend in ihr eignes Leben gehn.

*

Büro im Gewitter

Als wir noch ganz spät vor den Schreibtischen saßen,
da traf uns der Blitze blaugoldener Schein.
Dann stürzte das Wetter herab in die Straßen,
es wehte der Regen zum Fenster herein.

Dumpf prasselte Hagel auf Bleche und Dächer,
der Straßenlärm war wie ein Marschlied verbraust,
der Klang unsrer Worte ward ernster und schwächer,
die Blumen am Fensterbrett hingen zerzaust.

Lang rollte der Donner nach wildhellen Schlägen
und drüben das Haus war von Blitzen umloht.
Wir schrieben und wagten nicht, uns zu bewegen,
dann gab es kein Licht und wir dachten an Tod.

Wir saßen im Finstern, ganz nah am Verzagen,
doch plötzlich war alles verklärt, wie Musik,
als durch unsrer Herzen kleinmütiges Schlagen
der Duft feuchter Erde und Baumkronen stieg.

*

Donau 1945

Unter schweren Himmeln rollt sie
tief in Düsternis dahin ...
Und von jenseits hallen wider
fremder Männer fremde Lieder
und die Wintersterne glühn.

Keine Schiffe ziehn, kein Hafen
öffnet gastlich seinen Port.
Alle Brücken sind ertrunken,
weniger Laternen Funken
reihen schief sich um den Ort

wo zersprengte Pfeiler stehen,
schwarz im blinden Wellenschaum,
und wo Schiffe, halb gestrandet,
wirr zerschossen und versandet
ächzen wie ein Tier im Traum.

Ferne Berge, ferne Ebnen
liegen in der Hut der Nacht.
Nur die Stadt, ein grauer Schatten,
voll Ruinen, Waffen, Ratten,
hält am Strome trauernd Wacht.

*
   
Spiegelschrift

Die mit dem großen Hut
das bin ich?

Verbirgst du mein
Unbehütetsein
Hut
wenn mich die Faust trifft
mir die Züge verzerrt?

Wenn nichts mehr von mir
über der Erde ist
wird man dich verschenken
Hut
anderen Unbehüteten
zur modischen Kurzweil
für die kurze Weile
der Hoffnung
der Täuschung
der Unschulds-Blicke
im schuldigen
Spiegel

*

Abgezogene Besatzung

Hier ist der Ort
wo die Fremden sangen
und mit Gittern abgrenzten
ihr soldatisches Tagwerk;
und wo am Abend
die Mädchen standen,
schmal, mit nackten Beinen,
und rotbemalte Zehen
nervös streckend und krallend
im Holzschuh.
Und die vorübergingen
sahen vorbei
- ist hier etwas? -
wenn die Fremden brennend
junge Gesichter erhoben,
lallten und winkten.
Ist hier etwas?
Nein, nichts ist.
Wer versteht ihre Sprache?
Und sie nehmen und essen
das Unsre.
Sagt einer, sie sind Menschen,
auch wir sinds, nur haben
es alle vergessen.

Jetzt ist das Haus leer,
Wimpel und Schriften
herabgenommen,
das Gras wächst, der Kies liegt
geglättet.
War hier etwas?
Fremde Herzen, dem Tod entronnen,
um Zukunft bittend,
schlugen neben den unsern,
die das Hauchen des Untergangs
zögernd,
nur wie Dämmern vorm Wiederkehren
der Sonne,
nur zögernd
verließ.
War hier etwas?!
Frühlichter und Hoffnung
und Angst um Versäumtes?
Nein, nichts war.

*

In der weißen Welt

In der weißen Welt
mit vorbildlichen Sozial-
Einrichtungen
gechlortem Wasser
Espressi und
Schlemmerlokalen an allen
Ecken
und den Broncen von Benin
im Museum
sagte der junge Mann
aus Ghana,
Student, zur alten
Straßenverkäuferin
bei der er Zeitungen
kaufte die sie
mit einem knarrenden
Witzwort ihm gab:

Ich habe Wohnung und
Essen und Fernsehn
komm du zu mir!
Und da sie grinste,
mich Alte ladest du ein?,
hab selber Söhne
und keine Zeit,

sagte er, mit schon wieder
ersterbendem Lächeln scheu:
Aber du sprichst zu mir
und das tut sonst
verstehst du's?,
tut niemand.

*

Herta F. Staub: Ausgewählte Gedichte. Auswahl, Vorwort: Christian Teissl. 64 Seiten, 1 Foto, Euro 6,-. Podium (podium porträt 40), Wien 2008

 

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