Udo Kawasser, *1965 in Hard, studierte deutsche, französische und spanische Philologie in Innsbruck und Wien, wo er auch heute noch lebt. Dichter, zeitgenössischer Tänzer und Übersetzer
spanischsprachiger Literatur, Initiator des Lyrikfestivals und Webportals www.poesiegalerie.at. und des Poesiewegs im Lauteracher Ried. Zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitungen, Zeitschriften
und Anthologien in Europa und Lateinamerika. Teilnahme an Literaturfestivals von Istanbul bis Medellín. Erhielt 2021 den Alfred Kolleritsch Würdigungspreis.
Buchveröffentlichungen:
tarquinia. gespräche mit schatten. poem. Limbus, Innsbruck 2024
die blaue reise. donau – boporus, Gedichte. Limbus, Innsbruck, 2020
Wassertrilogie, drei Versuche über Natur zu schreiben:
Ried. Sonderzahl, Wien, 2019
Ache. Sonderzahl, Wien, 2018
Unterm Faulbaum. Aufzeichnungen aus der Au. Sonderzahl, Wien, 2016
das moll in den mollusken. Gedichte. Leipziger Literaturverlag, Leipzig, 2018
kleine kubanische grammatik. gedichte. keiper verlag, Graz, 2012
vom augenrand. gedichte. Mit Bildern von Karin Ferrari. Bucher, Hohenems, 2011
kein mund. mündung. gedichte. parasitenpresse, Köln, 2008
Einbruch der Landschaft. Zürich – Havanna. Ritter Verlag, Klagenfurt, 2007
leibeigene gedichte (ein kanon)
I. mont ventoux
als ich mit petrarca vom gipfel fiel
die wand hinab und er meine hände
sah und ich seine augen sah und er
meine augen schützend und ich
seine augen schützend im freien
fall von einer felsspitze vom rumpf
getrennt wurden und ein vorstehender grat
unsere beiden arme am gelenk kappte
und nur mehr unsere hände unsere augen
bedeckend die steilwand durchmaßen
ganz für den anderen waren und minuten
später schließlich im schnee aufschlugen
und unsere hände auseinanderrollend
die unversehrten augen des andern freigaben
*
paliano takes
take one
jetzt also tramonte nicht anschlussfähig ans heutige
gedicht gerade nicht mit diesen postkartenfarben
fragwürdig auch ob mit jupiter und venus in der mond
schale poetisches kleingeld zu machen ist dennoch:
was sich tagsüber bewegte kehrt nun unbemerkt zurück
zum glück löst der abendliche dunst die konturen auf
wenn sich die landschaft aufräumt und die nacht
endgültig zudeckt was nicht mehr rechtzeitig
an seinen ort zurückfand und verrückt bleibt
wie ein plötzlicher schlenker in der straßenallee
so bricht der morgen an als wäre nichts geschehen
wer merkt sich schon den verlauf einer hügellinie
*
keine unken
rufe nur der gelbe bauch
neben dem wegrand
kein gelber bauch
nur der warzige rücken
in der regenpfütze
kein warziger rücken
nur die gespreizten schenkel
auf dem schlammgrund
aber kein weg
rand
keine regen
pfütze
kein schlamm
grund
und folglich
keine gespreizten
schenkel
kein warziger
rücken
kein gelber
bauch
dafür
unkenrufe
*
körperwelt
unversehrte haut sagt der anatom
mit dem skalpell ein letzter blick
ins gesicht der abend ging
durch den kranz der gefäße
der tod ist das alltäglichste